Erwin Stroot

„Man hat eine sinnvolle Aufgabe“


Das Dilemma ist offensichtlich – vor allem in einer Stadt wie Münster: Auf der einen Seite gibt es viele ältere Menschen, die in großen, nicht selten viel zu großen Wohnungen oder gar Häusern leben und die anfallende Arbeit gar nicht mehr alleine bewältigen können. Auf der anderen Seite gibt es viele Studenten, die händeringend nach einer bezahlbaren Bleibe suchen. Die Lösung des Dilemmas ist auch offensichtlich: Man müsste Wohnungssuchende und Wohnungsinhaber zusammenbringen. Und genau das tut das Projekt „Wohnen für Hilfe“. Die Grundidee: Die Studierenden bezahlen Miete durch Arbeit – nach der Faustregel „pro Quadratmeter Wohnfläche eine Stunde Hilfe im Monat“.

Erwin Stroot übernahm die Verantwortung für das Projekt vor fünf Jahren – als die gute Idee an den Kosten zu scheitern drohte. Er habe, so erinnert er sich, in einer Veranstaltung gehört, dass die Stadt händeringend jemanden suche, der das Projekt weiterführe – weil es ihr selbst zu teuer geworden sei. Erwin Stroot fackelte nicht lange und erklärte sich bereit, die Sache gemeinsam mit seiner Frau Ursula zu übernehmen. Und mittlerweile gibt es auch ein zweites „Tandem“, das im Projekt mitarbeitet: Doris Focke und Hilla Schniedergers.

Erwin Stroot ist ein alter Hase in Sachen Bürgerengagement. Er hat 25 Jahre lang in Münster die „Offene Weihnacht“ organisiert, er leitet seit einem Jahrzehnt den Seniorentreff Hansahof, und in seiner Heimatgemeinde St. Theresia betreut er das Projekt „Teilen und Helfen“, das Schulen in Peru unterstützt. Von daher weiß er, was zu tun ist, um für das Projekt zu trommeln und Wohnungsinhaber anzusprechen: Verteilung von Flyern, Information in den Kirchen – und möglichst oft ein Bericht in der Lokalzeitung: „Da muss man einfach drin sein.“ Die Studierenden kommen quasi von alleine – übers Internet (www.muenster.org/wohnen-fuer-hilfe). Und zwar so zahlreich, dass Stroot gar nicht alle Wünsche erfüllen kann: „Wir haben etwa 30 Vermittlungen im Jahr – aber es könnten dreimal so viele sein, wenn wir genügend Wohnungen hätten.“

Apropos, Vermittlung. Damit geben sich der 72-Jährige und seine Mitstreiter viel Mühe: Sie sprechen mit allen Wohnungsanbietern und Wohnungssuchenden, überlegen, wer zu wem passen könnte – und laden schließlich beide Seiten zu einem gemeinsamen Gespräch ein. Stroot: „Wenn man dann Sympathie spürt, kann es losgehen – wenn nicht, sollte man es lieber lassen.“ Dabei macht er keinen Hehl daraus, dass er besonders gerne Studierende mit Migrationshintergrund vermittelt. Zum einen, weil die auf dem Wohnungsmarkt meist schlechtere Chancen haben, und zum anderen, weil dieses Modell „eine optimale Möglichkeit zur Integration“ biete.

Die Münsteraner, die eine „Studentenbude“ anbieten, suchen übrigens ganz überwiegend Mithilfe im Haushalt oder im Garten. Und manche, so sagt er, suchen auch ein bisschen Sicherheit: „Die finden es beruhigend, wenn noch jemand im Haus wohnt.“

Warum der pensionierte Gymnasiallehrer (Chemie, katholische Religion) die viele ehrenamtliche Arbeit auf sich nimmt? Erwin Stroot muss nicht überlegen: „Es macht Spaß – und man hat eine sinnvolle Aufgabe.“

Wolfgang Schemann